Zum "Internationalen Tag der Familie" gibt Stefanie Lewis einen Einblick in ihre Arbeit als Leiterin des DRK-Suchdienstes in Brandenburg. Familien zu helfen - sei es bei der Klärung von Schicksalen oder der Zusammenführung von Familienmitgliedern - hat beim DRK-Suchdienst eine besondere Stellung.
Tag der Familie – DRK-Suchdienst
Ich verbringe seit acht -Wochen viel Zeit mit meinen Kindern – wegen „Corona“. Das ist einerseits schön und ich bin dankbar, dass es uns gut geht, wir ein Dach über dem Kopf haben, medizinische Versorgung, wenn wir sie bräuchten und generell keine Engpässe leiden müssen – sogar Klopapier ist wieder da…
Andererseits fehlt etwas ganz Essentielles - der persönliche Kontakt mit der weiteren Familie. Omi und Opi, Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel. Online-Videocalls sind nett und helfen dabei, in Kontakt zu bleiben, aber sie ersetzen ja keine Umarmung, Abkitzeln und Raufen mit den Kleinen, gemeinsames gemütliches Essen mit den Großen, Spiele spielen, Shoppen gehen – gemeinsamen Alltag. So erfahren wir gerade ein klein wenig, wie es Familien gehen muss, die schon vor Corona seit langem getrennt leben müssen.
DRK-Suchdienst – Familienberatung
In Brandenburg haben 2019 3.562 Menschen einen Asylantrag gestellt. Viele von ihnen wurden während der Flucht von ihren Familien getrennt. Manche wissen gar nicht, was mit dem Rest ihrer Familie passiert ist. Einige dieser Menschen wenden sich an den DRK-Suchdienst mit der Bitte um Beratung zum Familiennachzug oder der Frage, ob wir bei der Suche nach vermissten Angehörigen helfen könnten. Können wir, machen wir!
DRK-Suchdienst – Hilfe für Houidah und ihre Familie
So auch Houidah W.*, die im Sommer 2016 das erste Mal zu mir in die Beratung kam. Sie war mit drei ihrer sechs Kinder nach einer gefährlichen Flucht zu Fuß über die Balkanroute im Oktober 2015 in Deutschland angekommen. Ihr Mann hing noch mit zwei Kindern in Griechenland fest, ihren ältesten Sohn, Ahmad, mussten sie in Syrien zurücklassen. Der IS erlaubte seine „Durchreise“ nicht. Er war 15, sie wollten, dass er für sie kämpft.
Da der Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu diesem Zeitpunkt bis März 2018 ausgesetzt war, standen die Chancen sehr schlecht, Ahmad zu seiner Familie zu holen. Wir mussten versuchen, ihn über eine Ausnahmeregelung aufnehmen zu lassen. Der Vater und die zwei kleinen Geschwister müssen das Dublin-Verfahren durchlaufen. Meine Kollegin und ich arbeiteten sechs Monate gleichzeitig daran, diese Familie zusammenzuführen. Ich kümmerte mich um den Antrag für Ahmed, sie um das Dublin-Verfahren für den Ehemann und die zwei Kinder. Im Endeffekt ging dann alles überraschend schnell. Ahmed durfte im Januar 2017 mit einem besonderen humanitären Visum einreisen.
DRK-Suchdienst – Herausforderung Familiennachzug
Seitdem gab es in Brandenburg 2.711 Beratungen zu diesem Anliegen. Im Regelfall kann sich ein Familienzusammenführungsverfahren über Jahre hinziehen. Kinder werden geboren und treffen ihre Väter erst, wenn sie schon laufen können. Verlobte heiraten über die Distanz, durch eine „Handschuhehe“. Alleinreisende Kinder werden zu Jugendlichen, die die Eltern kaum wiedererkennen.
Es bedarf unzähliger Telefonate, Abstimmungen mit Behörden und Ämtern im In- und Ausland. Die einen sind proaktiv und antworten schnell, die anderen so überlastet, dass man wochenlang keine Antwort bekommt. Feiertage kommen dazwischen, Dokumente, die beschafft werden müssen. Es ist ein konstantes Ringen um Zeit und Zustimmung. Und nebenher immer auch das Mitfiebern, Mithoffen, Mittrauern oder Mitfreuen, wenn es dann endlich geklappt hat. Aber gerade das ist es, was unsere Arbeit so besonders macht und uns den Wert von Familie immer wieder vor Augen führt.
*Namen geändert